Flandern mit dem Rad zu entdecken ist ein Leckerbissen der besonderen Art. Wie Perlen an einer Kette reihen sich sowohl die landschaftlichen als auch die kulturellen Sehenswürdigkeiten und davon sind die historischen Altstädte von Brügge, Gent und Antwerpen die Königsperlen.
Der organisatorische und planerische war für mich enorm – 320 E-Mails gingen hin und her bis die „Vlaanderen Fietsroute“, wie die Belgier ihre Flandern-Radroute nennen, stand – aber der Aufwand hatte sich gelohnt.
Der Auftakt für die 15-köpfige Radlergruppe war in Kortrijk nicht so berauschend, denn nach einer kurzen Stadtbesichtigung setzte leichter Nieselregen ein und als Zugabe wehte ein kräftiger Gegenwind. Am späten Nachmittag erhellte sich der Himmel sowie die Gemüter und das Wetter blieb über die gesamte Radtour trocken. Auf der Etappe nach Westende an der Nordsee mussten die Radler noch weiterhin mit Gegenwind kämpfen. Fast 25 Kilometer radelte nun die Gruppe am Nordseestrand, meist auf den Uferpromenaden über Ostende nach Blankenberge. Die Bausünden dieser Region waren schockierend, denn Hotel-Hochhäusern mit monotonen Fassaden standen hier soweit das Auge reichte.
Landeinwärts, weg vom touristischen Ambiete der Küstenregion, änderte sich das Landschaftsbild. Entlang von Kanälen verlief der Radweg, oftmals von schattigen Bäumen gesäumt, vorbei an saftigen Weiden oder durch schmucke Städtchen. Es wurde das malerische Zentrum der alten Hansestadt Brügge erreicht, das einen Charme besitzt, der seinesgleichen sucht. Die lieblich mittelalterliche Altstadt wird von zahlreichen Kanälen durchzogen, auf denen die Gruppe bei einer Grachtenfahrt mit dem Boot, die bedeutensten Sehenswürdigkeiten und schönsten Fotomotive kennen lernte. Das Fassaden-Ensemble am Markt, mit seinen reich verzierten Backsteinhäusern und dem kunstvoll gotischen Rathaus rundete den Gesamteindruck harmonisch ab.
Die Tagesetappe nach Gent entlang dem Verbindungs-Kanal wurde bewusst kurz gehalten, denn Gent sollte durch eine Stadt-Führung genauer erkundet werden. Jahrhunderte alte Gebäude, Türme und Befestigungsanlagen säumen die Promenaden der Schelde und Leie oder liegen verstreut im alten Stadtkern. Nahezu alle Epochen und Stilrichtungen haben ihre Spuren in der Architektur der Stadt hinterlassen.
Die Radfahrer scheinen in Belgien einen hohen Stellenwert zu haben. Wo immer auch die Gruppe eine Straße queren wollten, haben die Autofahrer ohne Aufforderung angehalten und ließen die Radler geduldig passieren. Überhaupt waren die Menschen, insbesondere in den vorgebuchten Hotels oder in den Restaurants, freundlich und entgegenkommend.
Entlang der Schelde, die sich von Gent bis nach Antwerpen in vielen Bögen schlängelt, wurde nach 100 Kilometer bei schwülwarmer Witterung aber moderatem Tempo, die zweitgrößte Hafenstadt Europas erreicht. Hier wurde zweimal übernachtet und zwar in dem historischen Gemäuer eines ehemaligen Klosters, das zu einem tollen Hotel umgebaut wurde – ein ruhiges und grünes Kleinod mitten im historischen Altstadtbereich. Der folgende Tag stand ganz im Zeichen von Besichtigungen und zwar ohne Räder. Ein sachkundiger Stadtführer zeigte und erklärte unter anderem den „Fußgängern“ den einmaligen Marktplatz, der durch gotische Gildehäuser und dem alten Rathaus hervorstach. Auf eigene Faust wurde die bekannte und noble Einkaufsstraße Meir sowie das Diamantenviertel aufgesucht.
Nicht fehlen durfte natürlich eine Hafenrundfahrt mit einem Ausflugsschiff. Über 50 Kilometer schipperte die Gruppe an verschiedenen Kaianlagen vorbei bis fast das Schelde-Delta an der holländischen Grenze erreicht war. Riesige Containerschiffe, monströse Entladekrane, bewegliche Wippbrücken, Trockendocks und Industrieanlagen gestalteten das Bild. Auf dem Rückweg zum Hotel konnte die Gruppe noch vom Dach des modernen 12-geschossigen MAS-Museums eine letzte beeindruckenden Silhouette von Antwerpen genießen.
Eine Kultur-Radtour ging zu Ende – geblieben sind Eindrücke, die an Abwechslungsreichtum kaum zu überbieten war. Aber auch die neue Erfahrung, dass nicht das Radfahren an erster Stelle stand, sondern die ausgewogene Kombination von kulturellem und sportlichem Erleben, wird in langer Erinnerung bleiben.
Euer Wanderwart
Walter
Text zu Foto:
Stadtbesichtigung in Gent